Integrationstalk bei maischberger: tausendmal debattiert, tausendmal nix passiert

Integrationstalk bei maischberger: tausendmal debattiert, tausendmal nix passiert

Play all audios:

Loading...

------------------------- * * X.com * Facebook * E-Mail * * * X.com * Facebook * E-Mail * Messenger * WhatsApp * Dieser Beitrag stammt aus dem SPIEGEL-Archiv. Warum ist das wichtig?


Vielleicht ist das ja die letzte Runde. Vielleicht ist es ja bald genug. Seit vielen, vielen Jahren debattiert dieses Land jetzt darüber, dass versäumt wurde, die aus der Türkei


eingewanderten Menschen vernünftig zu integrieren. Darüber, was es für unseren Staat bedeutet, wenn Frauen, gezwungen oder freiwillig, in der Öffentlichkeit ein Kopftuch tragen. Ob in


Moscheen auf Deutsch gepredigt werden sollte. Ob der Islam an deutschen Schulen unterrichtet werden darf und von wem. Die Debatte in Deutschland ist in den vergangenen zehn Jahren so oft


hoch- und wieder heruntergekocht, dass mittlerweile die meiste Flüssigkeit daraus verdampft ist. Übrig bleibt die Essenz, und diese Essenz ist eine simple Tatsache, eine Beschreibung der


Realität in diesem Land. Der Bundespräsident hat sie am 3. Oktober ausgesprochen: "Der Islam gehört zu Deutschland." Sandra Maischberger Vielleicht wird sich diese höchstamtliche


Erkenntnis irgendwann auch allgemein durchsetzen. Vielleicht wird es irgendwann nicht mehr nötig sein, darüber zu reden, ob Muslime Teil unserer Gesellschaft sind. Vielleicht kann man,


nachdem diese selbstverständliche Voraussetzung geklärt ist, irgendwann anfangen, endlich sinnvoll darüber zu diskutieren, wie wir - Christen, Juden, Muslime, Säkulare und Religiöse - in


diesem Land miteinander umgehen wollen. Vielleicht. Aber vorher muss das Thema noch einmal durch die große Erregungsmaschine. Alles noch mal auf Anfang. Und jeder darf noch mal ran. Diesmal


bei . DIE ÜBLICHEN VERDÄCHTIGEN In dieser Logik war es ganz richtig, für die Sendung die wulffsche Feststellung wieder in eine offene Frage umzuformulieren: "Gehört der Islam zu


Deutschland?" wollte Maischberger wissen. Und alle waren sie noch mal da, die dazu eh schon alles gesagt haben: Heinz Buschkowsky Integration Alice Schwarzer * , der


Bezirksbürgermeister aus Berlin-Neukölln. Der SPD-Mann galt einmal als Geheimtipp in Sachen verfehlter Integrationspolitik, als einer, der kein Blatt vor den Mund nimmt, der unbequeme


Wahrheiten ausspricht. Man konnte einmal über ihn lesen, dass er oft heimlichen Besuch von Spitzenpolitikern bekommt, die sich von ihm aufklären lassen wollen über die schlimmen Zustände an


Berliner Schulen. Das muss lange her sein. Heute muss ihn niemand mehr besuchen, um ihn sprechen zu hören. Er kommt selbst. Es ist praktisch unmöglich geworden, abends das TV-Gerät


einzuschalten, ohne Buschkowsky darin sitzen zu sehen. Und so sagt er wieder, was er schon so oft gesagt hat: dass die der islamischen Migranten viel zu lange vernachlässigt wurde. Und dass


Multikulti keine "bunte Rutschbahn ins Glück" sei. * , die Ikone des deutschen Feminismus, hält das Kopftuch, wer hätte das gedacht, auch nach zehn Jahren Kopftuchstreit für


"die Flagge des Islamismus" und hat praktischerweise gerade ein Buch zum Thema am Start, in welchem vermutlich dasselbe steht. * Joachim Herrmann, der bayerische Innenminister von


der CSU, sieht, auch das kein Wunder, keinerlei Anlass, den Islam in unsere Werteordnung zu integrieren und mag sich im Übrigen "nicht gefallen lassen", dass die türkische


Regierung die hier lebenden Türken dazu anhalte, nach dem Islam zu leben. * Hans-Christian Ströbele von den Grünen hingegen fordert, wie bereits seit Jahren schon, die Einführung eines


islamischen Feiertages in Deutschland. Er verlangt nicht viel von den hier lebenden Zuwanderern - aber dies: dass sie sich an die Gesetze halten. * Vergleichsweise unverbraucht wirkten


dagegen zunächst Güner Yasemin Balci und Zehra Yilmaz. Balci ist Autorin und Filmemacherin. Sie war geladen als die junge, säkulare Frau mit Migrationshintergrund und großer Islam-Skepsis,


gegen das Kopftuch, für Selbstbestimmung. Yilmaz ist ihr Gegenmodell: ebenfalls jung, ebenfalls Migrationshintergrund, ebenfalls sprachlich gewandt, aber religiös, mit Kopftuch, das sie


wiederum als Ausdruck ihrer Selbstbestimmung sieht. Die Gesichter sind neu. Das, was sie sagen, nicht. MAISCHBERGER TUT ÜBERRASCHT Interessant waren denn auch allenfalls die Allianzen und


Gräben, die sich im Laufe der Sendung herausbildeten: Da waren sich Feministin Schwarzer und die bekennende Muslima Yilmaz einig darüber, dass Frauen nicht auf ihren Körper reduziert werden


sollen. Da stimmte CSU-Mann Herrmann mehrmals heftig dem SPD-Politiker Buschkowsky zu, wenn der mahnte, die deutsche Gesellschaft weiche vor den Islamisten zurück. Der Grüne Ströbele lobte


ausdrücklich den Bundespräsidenten von der CDU für dessen klare Worte, berichtete davon, dass er junge Deutsch-Türken zum Singen der deutschen Nationalhymne aufgefordert habe - und musste


sich später von Balci, Schwarzer und Herrmann dafür ausschimpfen lassen, dass er viel zu lange die Augen verschlossen habe vor den Integrationsproblemen. Ströbele schüttelte nur stumm den


Kopf. Es war nicht leicht für Sandra Maischberger, so zu tun, als sei sie elektrisiert von den Argumenten ihrer Gäste. Als Schwarzer anprangerte, dass Geld aus Saudi-Arabien an Familien


fließe, die dafür ihre Töchter zwingen sollen, das Kopftuch zu tragen, fragte sie ganz überrascht nach - als sei dieser Vorwurf nicht schon seit Jahren bekannt. Und wie um zu dokumentieren,


dass die Debatte nicht vorankommt, spielte Maischberger einen Ausschnitt ein, in dem der CDU-Mann Friedrich Merz forsch fordert, dass hier lebende Menschen die Sprache lernen müssen! Und


sich integrieren! Gehört der Islam zu Deutschland? So viel ist jedenfalls sicher: Wer die Positionen der Maischberger-Gäste noch nicht kannte, der war offensichtlich seit zehn Jahren nicht


mehr in Deutschland.