Der angriff der neuen – das deutsche team bei der handball-wm im porträt: abwehrchef johannes golla

Der angriff der neuen – das deutsche team bei der handball-wm im porträt: abwehrchef johannes golla

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------------------------- * * * X.com * Facebook * E-Mail * * * X.com * Facebook * E-Mail * Messenger * WhatsApp * Seit Mittwoch befinden sich die deutschen Handballer in ihrem Teamhotel in


Kairo, und es soll sehr eng sein. 32 Teams sind in vier Hotels untergebracht, dazu kommen Schiedsrichter, Funktionäre, Journalisten. Wenig Raum, viele Menschen – das sind leider nur


Idealbedingungen für das Coronavirus. Nicht aber für eine Sportveranstaltung inmitten der Pandemie. Wenig Platz ist auch für Handballer nicht gerade besonders einladend, die eher in der


Gestalt eines Schranks daherkommen. Und damit sind wir bei Johannes Golla. Manchmal fragen ihn die Teamkollegen, wie er sich diese Position eigentlich antun kann, erzählt Kreisläufer Golla.


Immer wieder in Zweikämpfe zu müssen, sich gegen versteckte kleine Fouls zu wehren, einzustecken, aber auch auzusteilen, die Defensive zu organisieren und anschließend im Angriff auch noch


Wege für die Mitspieler freizukämpfen. »Sich 60 Minuten vom Gegner verprügeln zu lassen«, wie Golla dem SPIEGEL sagt. Oft bekommen bei schönen Offensivaktionen andere den Applaus, der


Kreisläufer ist wichtig, er muss aber meist auch unsichtbar bleiben. Eigentlich muss er eine Abrissbirne mit Samtüberzug sein, die Platz schafft und blockt und dabei einigermaßen behutsam


mit dem Gegner umgeht, um kein Offensivfoul oder eine Zeitstrafe zu riskieren. Gar nicht so leicht bei 112 Kilogramm Kampfmasse und 1,95 Meter Körperlänge. Das sind die Maße von Johannes


Golla. Ein echter Schrank eben. Aber diesen anspruchsvollen Job und Mix aus Block in der Abwehr und Wegbereiter und manchmal auch Torschütze im Angriff übernimmt Golla ziemlich gern. »Ich


spiele, seit ich fünf bin, Handball und habe viele Positionen ausprobiert, aber Kreisläufer gefiel mir am besten. Ich haue mich rein und bin mir für nichts zu schade«, sagt Golla kurz vor


dem Start der WM in Ägypten, die für Deutschland am Abend mit dem ersten Vorrundenduell gegen Uruguay beginnt (18 Uhr; TV: ARD). Johannes Golla, 23 Jahre, ist eine der noch eher unbekannten


Figuren im DHB-Team, wie für einige andere im Team wird es für den Spieler von der SG Flensburg-Handewitt die erste Weltmeisterschaft. Golla gehörte zwar bereits bei der EM im Vorjahr zum


Kader, und damals wurde ihm vom deutschen Co-Trainer Erik Wudtke der Spitzname »Kampfsau« gegeben. Aber er spielte noch eine Nebenrolle, und eigentlich nenne ihn auch niemand wirklich


»Kampfsau«. »Zum Spielstil mag der Name passen, privat bin ich aber eher der ruhige Typ«, sagt er. DIE SCHWERE NACHFOLGE Ruhig dürfte es um Golla in den nächsten Wochen nicht werden, denn


auf ihn und seine Kommandos wird es bei der WM besonders ankommen. Er muss mit seinen Teamkollegen immerhin die Lücke schließen, die Patrick Wiencek und Hendrik Pekeler in der deutschen


Abwehr hinterlassen haben. Also in dem Mannschaftsteil, der seit Jahren als das Prunkstück des deutschen Handballs gilt. Nun ist er erst mal eine Baustelle, und Bundestrainer Alfred Gíslason


hat Golla zu ihrem Chef ernannt. Es ist kein einfaches Erbe. Das Duo Wiencek/Pekeler von Champions-League-Sieger THW Kiel hat den Innenblock bei den vergangenen Turnieren besetzt und »flößt


weltweit Respekt ein« (O-Ton DHB-Vorstand Axel Kromer). Aber wegen der Corona-Pandemie verzichten Wiencek und Pekeler sowie weitere deutsche Nationalspieler auf die WM, zudem fehlen einige


Stammkräfte verletzungsbedingt. Auf den neuen Mann im Innenblock, Golla, und die teilweise junge, unerfahrene deutsche Mannschaft wartet eine ziemlich schwere WM. Golla selbst will kein


konkretes Ziel nennen, er hofft bloß, dass das Team sich von Spiel zu Spiel besser zusammenfindet. Dann käme der Erfolg schon. Nach dem Duell gegen WM-Neuling Uruguay wartet ein weiterer


krasser Außenseiter: Kap Verde. Die Aufstockung der WM von 24 auf nun 32 Länder sorgt dafür, dass Golla und Co. Gelegenheit bekommen, im Wettbewerbsbetrieb Abläufe einzuspielen und in den


Rhythmus zu kommen. Nach dem dritten und letzten Vorrundenduell gegen das starke Ungarn wird man dann eine erste Ahnung bekommen, wohin der Weg bei dieser WM führen kann. Diese WM mit all


den Fragezeichen um das deutsche Team passt ins Gesamtbild. Immerhin ist sie das erste größere Turnier mit Teilnehmern aus aller Welt während der Corona-Pandemie, und es gibt Zweifel an der


Durchführung. Auch Golla spricht von einer »gewissen Skepsis«, aber er vertraut auch auf das Hygienekonzept vor Ort. Zudem sei man durch die Corona-Erkrankung einiger Mitspieler


sensibilisiert. ERST DER LOCKDOWN, DANN DER MITTELFUSSBRUCH Im November hatte sich die deutsche Rückraumhoffnung Juri Knorr infiziert, von starken Symptomen beim 20-Jährigen berichtete zu


Beginn sein Verein. Inzwischen sei er wieder voll belastbar. Auch die Teamkollegen Marian Michalczik und Christian Dissinger erkrankten an Covid-19; Dissinger wurde zuletzt aus dem


endgültigen Kader gestrichen, weil er nach seiner Erkrankung und Trainingspausen nicht fit genug für die WM sein soll. Auch die Vorbereitung von Johannes Golla verlief nicht ohne


Nebengeräusche. Zuerst hatte er wie der gesamte deutsche Handball nach dem ersten Lockdown im Frühjahr fast ein halbes Jahr mit dem Spielbetrieb pausieren und sich überwiegend mit


Einzeltraining fit halten müssen. Ende August erlitt er dann einen Mittelfußbruch – weitere drei Monate Pause. »Es war eine harte Zeit«, sagt Golla, aber inzwischen verschwende er keinen


Gedanken mehr an die zurückliegenden Monate. Er wird seine Kraft brauchen, um in der Defensive abzusichern und dann warten auf ihn auch noch Offensivaufgaben. Kreisläufer Johannes Golla will


sich bei der WM voll reinhauen, er sagt: »Dieses Team ist bereit, alles zu investieren, und Gíslason ist ein Trainer, der viel einfordert. Das passt gut zusammen.« Die ersten Eindrücke von


ihm und den Teamkollegen in den jüngsten Qualifikationsspielen gegen das eher mittelmäßige Österreich haben Mut gemacht. Doch ab jetzt werden die Aufgaben von Spiel zu Spiel etwas härter.