Interview mit colin pillinger: neuer "beagle" soll vor 2007 auf dem mars landen

Interview mit colin pillinger: neuer "beagle" soll vor 2007 auf dem mars landen

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ONLINE: Professor Pillinger, nach dem Scheitern der "Beagle 2"-Mission wurde herbe Kritik an der Esa und auch an Ihnen laut. Die Rede war von einem teuren und unnötigen Fehlschlag.


Wollen sie ein ähnliches Projekt erneut wagen? PILLINGER: Unbedingt. Wir wollen "Beagle 2" wieder fliegen lassen. Die neuen Erkenntnisse über den Mars machen einen Landeroboter


mit den Fähigkeiten von "Beagle 2" notwendiger denn je. Ich meine damit neben den astronomischen und geologischen Beobachtungen vor allem die Entdeckung von Methan in der


Marsatmosphäre, das mit hoher Wahrscheinlichkeit von Lebensformen stammt. Aus dem Orbit aber kann man nichts Genaueres erfahren. Man muss die Atmosphäre mit Experimenten auf der


Planetenoberfläche analysieren. SPIEGEL ONLINE: Wie hoch wären die Kosten für eine derartige Mission? PILLINGER: Wahrscheinlich nicht ganz so hoch wie die Kosten von "Mars Express"


von rund 300 Millionen Euro, obwohl wir natürlich eine Rakete und ein Mutterschiff bräuchten, um die Sonde zum Mars zu bringen. Da "Mars Express" den Planeten nur noch bis 2007


umkreist und damit als Relaisstation für Daten zur Verfügung steht, müssten wir bereits in den nächsten drei Jahren einen neuen Versuch unternehmen. SPIEGEL ONLINE: Die Nasa-Roboter


"Spirit" und "Opportunity" sowie "Mars Express" haben weitgehend geklärt, dass es auf dem Mars einst Wasser und damit womöglich Leben gab. Glauben Sie


ernsthaft, dass die Esa nach dem Scheitern von "Beagle 2" und in Zeiten knapper Kassen erneut so viel Geld für einen zweiten Versuch ausgeben wird? PILLINGER: Ich versuche derzeit


gemeinsam mit mehreren europäischen Wissenschaftlern, die Führung der Esa genau davon zu überzeugen. Wir brauchen ein festes Programm für eine neue Landemission zum Mars. Das ist nicht nur


wissenschaftlich erforderlich, sondern auch als Vorbereitung auf europäische Marsprogramme wie "Aurora" und "ExoMars". Außerdem hat die Öffentlichkeit nach wie vor ein


riesiges Interesse an der Suche nach außerirdischem Leben. SPIEGEL ONLINE: Sie glauben also nicht, beim "Beagle 2"-Projekt Fehler begangen zu haben? PILLINGER: Nein, wir haben


nichts falsch gemacht. Es gibt immer ein gewisses Risiko, dass etwas schief geht. Wir hätten vielleicht früher mit der Arbeit beginnen sollen, aber leider wurden die Mittel für "Beagle


2" erst im Jahr 2000 freigegeben. Zudem war das Projekt kein Fehlschlag. Im Gegenteil, wir haben fantastische Fortschritte gemacht. Man muss Dinge ausprobieren, um etwas zu lernen. Ich


frage Sie: Wie viele Versuche brauchten Amerikaner und Russen, ehe ihnen eine Mars-Landung gelang? Hätten wir es nicht versucht, wüssten wir heute weniger. SPIEGEL ONLINE: Was glauben Sie,


in der Atmosphäre des Mars zu finden? Vittorio Formisano, Chefwissenschaftler des Fourier-Spektrometers an Bord von "Mars Express", nannte Vulkanismus als wahrscheinlichste Ursache


des neulich entdeckten Methans in der Atmosphäre. PILLINGER: Ich bitte Sie. Auf der Erde sind 99,9 Prozent des Methans in der Atmosphäre biologischen Ursprungs. Der Rest stammt von


Vulkanismus, aber auf der Erde gibt es auch aktive Vulkane - ganz im Unterschied zum Mars, dessen Vulkane wahrscheinlich vor 100 Millionen Jahren inaktiv wurden. Methan kann in der


Atmosphäre des Mars höchstens 300 Jahre lang bestehen, ehe es durch Oxidation verschwindet. Es muss also eine Quelle geben, die den Vorrat ständig wieder auffüllt. Und das können meiner


Meinung nach nur Mikroben sein. Auch Kometen fallen als Ursache aus. Wenn es vor so kurzer Zeit einen Einschlag gegeben haben soll, wo bitte ist dann der Krater? SPIEGEL ONLINE: Was wäre


Ihrer Meinung nach notwendig, um einen direkten Beweis für früheres Leben auf dem Mars zu finden? PILLINGER: Wir müssten Marsgestein zur Erde transportieren. Missionen wie die der beiden


Nasa-Rover "Spirit" und "Opportunity" mögen spektakulär sein, doch nur auf der Erde können wir Proben vom Mars wirklich genau untersuchen. Allerdings müssten wir den


Ursprung des Methans vorher genau klären. Falls auf dem Mars wirklich Leben existiert hat, wäre es sehr gefährlich, Proben zur Erde zu bringen. SPIEGEL ONLINE: Wäre eine solches Vorhaben


nicht noch aufwendiger und damit teure als alle bisherigen Mars-Missionen? PILLINGER: Nicht unbedingt. Denkbar wäre eine so genannte Grab-and-Go-Mission, bei der eine Sonde auf dem Mars


landet, eine Probe des Gesteins aus größtmöglicher Tiefe entnimmt und dann sofort wieder zur Erde aufbricht. SPIEGEL ONLINE: Müsste eine solche Sonde nicht sperrig, schwer und damit teuer


sein? Ein Start vom Mars würde große Mengen an Treibstoff brauchen, da die Schwerkraft, die dabei überwunden werden müsste, ungleich größer ist als etwa die des Mondes. * Homepage der


"Beagle 2"-Mission  * "Aurora"-Programm der Esa  * Open University  PILLINGER : Das ist richtig, aber allzu groß würde eine solche Sonde nicht werden. Entsprechende


Kalkulationen, auch von meiner Forschungsgruppe, gibt es schon seit langer Zeit. Es ist machbar, und das auch zu einem vernünftigen Preis. Der Gewinn wäre riesig: Geochemiker können heute 50


Mikrometer kleine Gesteinskörner analysieren. Aus 200 Gramm Marsgestein könnte man etwa 200 Millionen solcher Proben gewinnen und sie an Labors in aller Welt schicken. Was ist dagegen schon


ein Mars-Rover, dessen Betreiber sich um jeden Meter Fahrweg zu irgendeinem Felsen streiten? _Das Interview führte Markus Becker  _