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Die Wahlkommission hat den rechtskonservativen Kandidaten Nawrocki zum Sieger erklärt. Selenskyj freut sich auf „fruchtbare Zusammenarbeit“, Steinmeier betont die deutsch-polnische
Freundschaft. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat sich nach der Präsidentschaftswahl in Polen zuversichtlich über das weitere Engagement Warschaus für die Ukraine gezeigt. Die
polnische Bevölkerung sei sich in der „Abwehr gegen Russlands imperialistisches Machtreben“ stets einig, sagte von der Leyen am Montagabend in der ZDF-Sendung „Was nun?“. Auf die Frage, ob
dies auch für den neu gewählten Präsidenten Karol Nawrocki gelte, sagte sie: „Absolut. Das merkt man sehr deutlich“. Die Polen seien darin „absolut geeint, und das ist enorm hilfreich“,
bekräftige von der Leyen. Der EU-kritische Nawrocki KAM BEI DER WAHL AM SONNTAG AUF 50,89 PROZENT DER STIMMEN, wie die Wahlkommission am Montag mitteilte. Die Wahlbeteiligung liegt bei einem
Rekordwert von rund 71,7 Prozent. Auf den proeuropäischen Regierungskandidaten, den liberalen Warschauer Bürgermeister Rafal Trzaskowski, entfielen demnach 49,11 Prozent. Dieser RÄUMTE AM
MONTAG SEINE NIEDERLAGE EIN UND GRATULIERE DEM WAHLSIEGER. „Es tut mir leid, dass es mir nicht gelungen ist, die Mehrheit der Bürger von meiner Vision von Polen zu überzeugen“, teilte
Trzaskowski auf der Online-Plattform X mit. Die Präsidentschaftswahl galt dabei nicht nur für Polen, sondern AUCH FÜR DIE UKRAINE ALS RICHTUNGSWEISEND. Der 42-jährige Nawrocki ist ein
politischer Neuling, der gegen ukrainische Flüchtlinge und Migranten sowie eine Euro-Einführung in Polen zu Felde zieht. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat DEM
RECHTSNATIONALISTEN KAROL NAWROCKI ZU DESSEN SIEG BEI DER PRÄSIDENTSCHAFTSWAHL IN POLEN GRATULIERT. Er freue sich auf die Fortsetzung von „fruchtbarer Zusammenarbeit mit Polen und Präsident
Nawrocki persönlich“, schrieb Selenskyj am Montag im Onlinedienst X. Polen bleibe „eine Säule regionaler und europäischer Sicherheit und eine starke Stimme, die die Freiheit und Würde jeder
Nation verteidigt.“ Auch BUNDESKANZLER FRIEDRICH MERZ (CDU) hat Nawrocki gratuliert und zu verstärkten bilateralen Beziehungen aufgerufen. „Angesichts tiefer geopolitischer Veränderungen
stehen unsere beiden Länder vor großen Herausforderungen“, die gemeinsam bewältigt werden sollten, erklärte Merz am Montagabend. Er wolle sich „gemeinsam“ für „Frieden, Freiheit und
Wohlstand in einem einigen Europa“ einsetzen. DEUTSCHE STIMMEN ZUR WAHL IN POLEN ÄHNLICH ÄUSSERTE SICH BUNDESPRÄSIDENT FRANK-WALTER STEINMEIER (SPD). „Lassen Sie uns gemeinsam die
Freundschaft unserer Völker stärken“, erklärte Steinmeier am Montag. „Ein starkes Europa braucht eine gute deutsch-polnische Zusammenarbeit.“ Deutschland und Polen müssten „auf dem Fundament
von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit“ zusammenarbeiten, erklärte Steinmeier. Nur so könne „eine Zukunft Europas in Sicherheit, Freiheit und Wohlstand“ gesichert werden. Steinmeier lud
Nawrocki nach Berlin ein und äußerte seine Hoffnung, Europa könne in dieser „sehr herausfordernden Zeit“ auf Polen zählen. Der CDU-Außenpolitiker Paul Ziemiak hält auch VORGEZOGENE
PARLAMENTSWAHLEN IN DEM LAND FÜR MÖGLICH. Im Deutschlandfunk sagte Ziemiak, er rechne damit, dass es erste Aufgabe von Nawrocki sein werde, der Mitte-Links-Regierung von Donald Tusk
„Schwierigkeiten zu machen“. Nawrocki werde aller Voraussicht nach die Blockadepolitik des bisherigen Präsidenten Andrzej Duda fortsetzen. Viele Menschen seien von der Regierung enttäuscht,
WEIL SIE WEGEN DUDAS KURS VERSPRECHEN NICHT UMSETZEN KONNTE, sagte Ziemiak, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages und Vorsitzender der deutsch-polnischen Parlamentariergruppe.
Bleibe dies so, komme es zu einer sehr schwierigen Situation. „Alles ist möglich im Hinblick auf die Regierung, auch vorgezogene Neuwahlen.“ POLEN-BEAUFTRAGTER IST FÜR PRAGMATISCHE
ZUSAMMENARBEIT Der neue Polen-Beauftragte der Bundesregierung, Knut Abraham, geht trotz des Sieges des rechtskonservativen Kandidaten nicht von weitreichenden Folgen für Deutschland aus.
„Das ist natürlich ein wirklich SCHWIERIGES ERGEBNIS“, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete dem Sender Radio Eins vom RBB. ABER ER ERWARTE LETZTLICH, DASS „SICH NICHT ALLZU VIEL ÄNDERN WIRD,
denn wir hatten ja auch bisher einen Deutschland-kritischen und sehr auf Amerika und auf die Person Trump fixierten polnischen Staatspräsidenten mit Andrzej Duda“, erklärte Abraham. Der
Polen-Beauftragte hofft auf eine pragmatische Zusammenarbeit mit dem Präsidenten, RECHNET ABER MIT WENIGER HARMONIE: „Was klar ist, dass die Tonalität etwas unharmonischer werden könnte, das
betrifft das Verhältnis zu Deutschland, aber auch das Verhältnis zur Ukraine“, sagte er. „Die Hauptkoordinaten bleiben aber auch für einen Präsidenten Nawrocki klar: Polen wird fest in der
Europäischen Union verankert bleiben, wird sich auf die Nato konzentrieren und auch die Ukraine weiter unterstützten – jenseits der Rhetorik, die jetzt im Wahlkampf zu hören war“, sagte
Abraham Innenpolitisch werde Polen aber schwieriger zu regieren sein, sagte Abraham: „Im schlimmsten Fall kommt es zu einem STILLSTAND DER REFORMBEMÜHUNGEN der Regierung Tusk gerade in den
Bereichen Justizreform, aber auch bei der Abtreibung.“ Mit Blick auf das Thema Migration sei er allerdings sicher, „dass wir auch mit dieser neuen Staatsführung in Polen über die Migration
nicht nur ins Gespräch kommen, sondern uns auch einer Lösung annähern“. KOPF-AN-KOPF-RENNEN ZWISCHEN KANDIDATEN In ERSTEN PROGNOSEN nach Schließung der Wahllokale hatte noch der Kandidat der
pro-europäischen Regierung (KO), RAFAL TRZASKOWSKI, MIT 50,3 PROZENT GEFÜHRT. Beide Kandidaten hatten sich ANGESICHTS DER WAHLPROGNOSE ZUVOR SIEGESSICHER PRÄSENTIERT, OBWOHL SICH EIN
KOPF-AN-KOPF-RENNEN ABZEICHNETE. Trzaskowski hatte am Sonntagabend vor seinen Anhängern gesagt: „Wir haben hauchdünn gewonnen.“ Der nationalistische Kandidat Karol Nawrocki sagte
seinerseits: „Wir werden heute Nacht gewinnen.“ Beide Kandidaten ließen sich von ihren Anhängern feiern. RUND 29 MILLIONEN WAHLBERECHTIGTE waren aufgerufen, einen Nachfolger für Präsident
Andrzej Duda zu wählen. Dieser durfte nach zwei Amtsperioden nicht noch einmal antreten. RICHTUNGSWAHL IN POLEN Der parteilose Nawrocki ist der Kandidat der rechtskonservativen PiS, Polens
größter Oppositionspartei. Die PiS regierte das Land von 2015 bis 2023. Sie legte die Justiz an die Kandare der Politik und lag wegen dieses Eingriffs in die Gewaltenteilung im Dauerclinch
mit Brüssel. Das seit Dezember 2023 regierende MITTE-LINKS-BÜNDNIS VON DONALD TUSK HAT VERSUCHT, MIT REFORMPROJEKTEN VIELES DAVON ZURÜCKZUDREHEN. Doch der bisherige Präsident Duda, der aus
den Reihen der PiS stammt, hatte diese mit seinem Veto gebremst. Tusk hat im Parlament nicht die nötige Mehrheit von 60 Prozent, um Vetos des Präsidenten aufzuheben. Der Ministerpräsident
hoffte, mit dem liberal eingestellten Trzaskowski an der Staatsspitze diese Blockade aufzulösen. Der 53-jährige Warschauer Oberbürgermeister gilt innerhalb seines politischen Lagers als
progressiv, allerdings selbst dort als sehr weit links. Damit war er für viele Wähler in katholisch geprägten ländlichen Regionen des Landes ein rotes Tuch. TIEFE SPALTUNG Die über Nacht
eingehenden Einzelergebnisse belegten die tiefe politische Spaltung Polens, das in den vergangenen Jahren große wirtschaftliche Erfolge erzielt hat. Trzaskowski siegte demnach in den großen
Städten wie Warschau, Krakau und Lodz, die vom Aufschwung besonders profitiert haben. In kleineren Städten und den ländlichen Regionen Polens lag Nawrocki vorn. Ein Grund für die mutmaßliche
Niederlage Trzaskowskis könnte sein, dass das liberale und linke Lager sein Wählerpotenzial nicht ausgeschöpft hat. Die Wahlbeteiligung lag mit 71,7 Prozent zwar gut drei Prozentpunkte
höher als bei der vorherigen Präsidentenwahl vor fünf Jahren. Doch beim Sieg über die PiS bei der Parlamentswahl 2023 hatte eine Rekordzahl von 74,4 Prozent der Wählerinnen und Wähler ihre
Stimme abgegeben. „Wir werden siegen und Polen retten. Wir werden nicht zulassen, dass Donald Tusks Macht sich festigt“, sagte Nawrocki nach Bekanntgabe erster Prognosen. Er war bislang
Direktor des Instituts für Nationales Gedenken (IPN), eine Art polnisches Pendant zur mittlerweile aufgelösten Stasi-Unterlagen-Behörde in Deutschland. Für Aufsehen – und Sympathien bei
manchen Wählern – sorgte immer wieder seine Vergangenheit als Amateurboxer in jungen Jahren und als Türsteher während des Studiums in einem Luxushotel mit möglichen Kontakten ins
Rotlichtmilieu. Doch schon im ersten Wahlgang vor zwei Wochen hatten Nawrocki und noch weiter rechts stehende Kandidaten zusammen eine deutliche Mehrheit erhalten. NAWROCKI VERTRITT
EU-FEINDLICHE LINIE DER PIS POLEN IST EIN WICHTIGER UNTERSTÜTZER DER VON RUSSLAND ANGEGRIFFENEN UKRAINE. Das Land mit knapp 38 Millionen Einwohnern sieht sich auch selbst von Moskau bedroht
und rüstet massiv auf. Anders als in der Slowakei, Ungarn oder Rumänien gibt es in Polen keinen ernstzunehmenden Politiker, der prorussische Positionen vertritt. In der wichtigsten
außenpolitischen Frage, der Unterstützung für die Ukraine, zogen Duda und Tusk denn auch an einem Strang. Dies könnte sich mit Nawrocki ändern, der zum Beispiel gegen einen möglichen
Nato-Beitritt der Ukraine ist. Während sich mit Tusk als Regierungschef das Verhältnis zwischen Warschau und Berlin entspannte, VERTRITT NAWROCKI EHER DIE DEUTSCHLAND-FEINDLICHE LINIE DER
PIS und suchte im Wahlkampf die Nähe zu US-Präsident Donald Trump. Er erneuerte die Forderung nach Reparationen für die Schäden, die Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg in Polen
angerichtet hat. Von der EU will sich Nawrocki, das hat er betont, für Polen nichts vorschreiben lassen. In Polen amtiert der Präsident fünf Jahre. Das Staatsoberhaupt hat MEHR BEFUGNISSE
ALS DER BUNDESPRÄSIDENT IN DEUTSCHLAnd. Er repräsentiert das Land nicht nur nach außen. Der Präsident hat auch Einfluss auf die Außenpolitik, er ernennt den Regierungschef sowie das Kabinett
und ist im Kriegsfall Oberkommandierender der polnischen Streitkräfte. Vor allem aber kann er der Regierung mit seinem Vetorecht das Leben schwer machen._ (Reuters/dpa)_