Play all audios:
Als einzige Kandidatin war die ehemalige Außenministerin für die einjährige Spitzenposition des größten UN-Gremiums angetreten. Ihre Wahl galt als Formsache. Doch der Weg dorthin wurde ihr
erschwert. Die ehemalige deutsche Außenministerin Annalena Baerbock wird die nächste Präsidentin der UN-Generalversammlung. Bei der Wahl in New York erhielt die 44-jährige Grünen-Politikerin
167 Stimmen im größten Gremium der Vereinten Nationen. Die Wahl im Plenum vor 193 UN-Mitgliedsländern galt als Formsache, allerdings musste sie auf Antrag eines Mitgliedsstaates geheim
erfolgen. Aus Diplomatenkreisen verlautete, dass es sich bei dem Land um Russland handele. Normalerweise besiegelt die Vollversammlung Personalien ohne Gegenkandidaten per Akklamation, also
im Konsens und ohne formelle Wahl. Baerbock trat ohne Gegenkandidaten für die einjährige Spitzenposition des größten UN-Gremiums mit 193 Mitgliedsländern an. Dieser wird in erster Linie
protokollarische Bedeutung beigemessen – sie ist nicht mit der Rolle von UN-Generalsekretär António Guterres zu verwechseln. Nun musste es zu einer Abstimmung mit Stimmzetteln kommen, auf
denen nur Baerbocks Name stand. Ihr Name konnte angekreuzt werden, es war aber auch eine Enthaltung möglich oder das Hinzufügen eines weiteren Namens. Russland hatte in den vergangenen
Wochen kein Hehl daraus gemacht, dass es Baerbock für eine ungeeignete Kandidatin hält und ihr „eklatante Voreingenommenheit“ unterstellt. Baerbock war als Außenministerin gegenüber Russland
im Zuge des russischen Angriffs auf die Ukraine einen harten Kurs gefahren und damit immer wieder ins Visier Moskaus geraten. Das Auswärtige Amt hatte sich noch am frühen Montagnachmittag
zuversichtlich geäußert, dass die Mehrheit für Baerbock steht. „Wir haben keinen Zweifel daran, dass Frau Baerbock heute zur Präsidentin der Generalversammlung für die 80. Sitzungsperiode
gewählt wird“, sagte ein Außenamts-Sprecher. Baerbock genieße „international höchstes Ansehen bei unseren Partnern“. Die überwältigende Mehrheit der Mitgliedstaaten habe bereits ihre
Unterstützung mitgeteilt. „China, Brasilien oder Südafrika werden künftig sogar Personal für das Team von Frau Baerbock stellen“, fügte er hinzu. Die offizielle Amtseinführung ist am 9.
September kurz vor der Generaldebatte der UN-Vollversammlung mit Staatsgästen aus aller Welt. BEGRENZTER EINFLUSS Als Präsidentin würde Baerbock die Sitzungen der Generalversammlung leiten
sowie Abläufe und Tagesordnungspunkte festlegen. Mit diesen Aufgaben könnte die 44-Jährige zumindest begrenzten Einfluss auf Entscheidungsprozesse hinter den Kulissen nehmen, zum Beispiel
den der Wahl des nächsten Generalsekretärs im kommenden Jahr. Dabei dürfte Baerbocks direkter Draht zu Außenministern weltweit – also den Chefs der UN-Botschafter in New York – helfen.
Gegenüber der Vollversammlung gilt der 15-köpfige UN-Sicherheitsrat mit den fünf Vetomächten dagegen als deutlich mächtiger. Er kann völkerrechtlich bindende Resolutionen erlassen. Die
politischen Entscheidungen der Generalversammlung dagegen haben oft einen eher symbolischen Wert und gelten als weltweites Stimmungsbild. BAERBOCK WILL DIPLOMATISCHER AUFTRETEN „Als
Präsidentin, sollte ich gewählt werden, werde ich allen 193 Mitgliedstaaten dienen – großen wie kleinen. Als ehrliche Vermittlerin. Als einende Kraft. Mit offenem Ohr. Und offener Tür“,
hatte Baerbock im Mai bei der Vorstellung ihrer Prioritäten gesagt. Und auch klargemacht, dass sie in der neuen Rolle einen diplomatischeren Ton anschlagen würde als noch zu ihrer Zeit als
deutsche Außenministerin, in der sie immer wieder vor allem mit klarer Kante unter anderem gegen Russland aufgefallen war. Baerbock würde das neue Amt in Zeiten immensen finanziellen Drucks
auf die Vereinten Nationen beginnen, unter anderem wegen der Kürzungen der Trump-Regierung. Baerbock hatte angekündigt, Reformen mit vorantreiben und die Ressourcen der Vollversammlung so
effizient wie möglich einsetzen zu wollen. Sie nannte als Schwerpunkte ihrer angestrebten Amtszeit das Erreichen der UN-Nachhaltigkeitsziele, den Kampf gegen die Klimakrise sowie die
Gleichstellung der Geschlechter. Ursprünglich war für das Amt der Präsidentin der UN-Generalversammlung die deutsche Top-Diplomatin Helga Schmid vorgesehen, die auch von Russland akzeptiert
war. Baerbock wurde für ihre späte Kandidatur nach der verlorenen Bundestagswahl kritisiert. _(dpa)_