Betrugsprozess: urteil zur dieselaffäre - haftstrafen für ex-vw-manager

Betrugsprozess: urteil zur dieselaffäre - haftstrafen für ex-vw-manager

Play all audios:

Loading...

Lässt sich die strafrechtliche Verantwortung für den Dieselskandal bei Volkswagen nach fast zehn Jahren noch klären? Ein Gericht in Braunschweig sieht persönliche Schuld bei vier Männern.


„Ein besonders schwerer Fall des Betrugs“ - Die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Braunschweig hat fast zehn Jahre nach dem Auffliegen des Dieselskandals bei Volkswagen vier frühere


Führungskräfte schuldig gesprochen. Zwei Angeklagte müssen mehrjährige Haftstrafen antreten, zwei Ex-Mitarbeiter erhielten Bewährung.  Mit viereinhalb Jahren Gefängnis für einen ehemaligen


Leiter der Dieselmotoren-Entwicklung gingen die Richter sogar über die Forderung der Staatsanwaltschaft hinaus. Der 59-Jährige stand nach Überzeugung der Kammer „im Zentrum des Geschehens“


und erhielt nach fast vier Jahren Prozess mit 175 Verhandlungstagen die härteste Strafe.  Das Urteil ist nicht rechtskräftig und die juristische Aufarbeitung ist auch nach diesem


Schuldspruch nicht beendet.  ANGEKLAGTE VERFOLGEN URTEIL MIT GESENKTEM KOPF Ins Gefängnis soll auch ein früherer Leiter der Antriebselektronik. Der 65-Jährige wurde zu zwei Jahren und sieben


Monaten verurteilt. Vor allem die beiden von der Haft Betroffenen verfolgten die mehr als dreistündige Urteilsbegründung im nahezu vollem Gerichtssaal mit gesenktem Kopf gestützt in


gefaltete Hände.  Empfohlener redaktioneller Inhalt An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen


Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden. Externen Inhalt anzeigen Ich bin damit einverstanden, dass mir der


externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden


Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können. Der ranghöchste Angeklagte, ein Ex-Entwicklungsvorstand der Marke


Volkswagen, erhielt ein Jahr und drei Monate auf Bewährung. Ein ehemaliger Abteilungsleiter wurde zu einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung verurteilt. Er war auch der erste


VW-Mitarbeiter, der den Betrug gegenüber US-Behörden zugab.  BAUERNOPFER IN DER DIESELAFFÄRE? Für alle Angeklagten sah die Kammer einen bandenmäßigen Betrug ab dem Zeitpunkt ihrer Kenntnis


der Schummelsoftware als erwiesen an. Den verursachten Schaden bezifferte die Kammer auf etwa 2,1 Milliarden Euro, für den aber nicht alle gleichermaßen verantwortlich seien.  Während des


Prozesses hatten die vier Angeklagten deutlich gemacht, dass sie sich als Bauernopfer in der Dieselaffäre sehen. Die Verteidiger hatten drei Freisprüche und eine Verwarnung gefordert.


Entsprechend fiel ihre Reaktion am Montag aus: „Das Urteil ist falsch“, sagte Rechtsanwalt Philipp Gehrmann nach der Verkündung. Besonders für seinen Angeklagten sei die Kammer mit dem


Strafmaß von mehr als zwei Jahren Haft weit über das Ziel hinausgeschossen, sagte er und kündigte Revision an.  MANIPULATIONEN FLOGEN 2015 IN DEN USA AUF Der Skandal um Manipulationen bei


Abgastests von Dieselautos war im September 2015 aufgeflogen. In den USA hatte der Wolfsburger Autobauer kurz zuvor falsche Testergebnisse eingeräumt. Wenige Tage später trat Konzernchef


Winterkorn zurück. VW schlitterte in eine seiner größten Krisen, die den Konzern nach eigenen Angaben bisher etwa 33 Milliarden Euro kostete. Der Vorsitzende, Christian Schütz, machte


deutlich, dass die vier verurteilten früheren Führungskräfte nach Überzeugung der Kammer nicht allein die Verantwortung tragen. Die betroffenen Motoren seien von einer Vielzahl von Personen


entwickelt worden, Pläne zur Abschaffung der Technik habe es nicht gegeben, sagte Schütz. Die Manipulationen müssten arbeitsteilig und in einem sehr hierarchischen System betrachtet werden.


Es gebe weitere Involvierte mit Schlüsselrollen, die teils gar nicht angeklagt seien.  RICHTER: ZEUGEN MIT UNZUTREFFENDEN ODER UNGENAUEN ANGABEN Direkt zu Beginn stellte Richter Schütz klar,


dass er mit einigen Zeugenaussagen während des Prozesses überhaupt nicht einverstanden war. Zeugen hätten vorsätzlich unzutreffende oder ungenaue Angaben gemacht, da sie teilweise selbst


Beteiligte seien. Mit Blick auf einen Zeugen sagte Schütz sogar, dass er die „Kammer schamlos angelogen“ habe.  Der Richter ging auch darauf ein, dass es in dem Ermittlungskomplex schon


Einstellungen gegen Geldauflagen gab. Dadurch stand der Vorwurf von Gefälligkeitsaussagen im Raum, um sich selbst aus der Schusslinie zu nehmen. Schütz betonte, dass seine sechste


Strafkammer nur für die vier Angeklagten zuständig sei. Er machte aber auch deutlich, dass seine Kammer einige der anderen Verfahren wohl nicht eingestellt hätte. WEITERE VERFAHREN IM


DIESELSKANDAL In Braunschweig sind nach dem ersten Prozess und dem Komplex gegen Winterkorn noch vier weitere Strafverfahren gegen insgesamt 31 Angeklagte offen. Wie ein Sprecher des


Landgerichts nach dem Urteil ankündigte, soll das nächste Verfahren gegen fünf Angeklagte im November beginnen.  Ursprünglich geplant war, dass der frühere Volkswagen-Konzernchef Martin


Winterkorn mit auf der Anklagebank sitzt. Sein Verfahrensteil wurde aber schon vor dem Auftakt im September 2021 aus gesundheitlichen Gründen abgetrennt. Mittlerweile äußerte sich Winterkorn


sowohl als Zeuge als auch als Angeklagter vor Gericht und wies dabei die Verantwortung für den Dieselskandal entschieden von sich.  Ein Unfall mit einem Klinikaufenthalt unterbrach den


Prozess gegen den prominentesten Angeklagten aber. Ob und wann das Verfahren gegen den mittlerweile 78-Jährigen fortgesetzt werden kann, ist völlig offen. © dpa-infocom,


dpa:250526-930-591673/4 _Das ist eine Nachricht direkt aus dem dpa-Newskanal._