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------------------------- * * X.com * Facebook * E-Mail * * * X.com * Facebook * E-Mail * Messenger * WhatsApp * Dieser Beitrag stammt aus dem SPIEGEL-Archiv. Warum ist das wichtig?
Hamburg/London - Google hat einen Fehler zugegeben, sich entschuldigt, Geldbußen gezahlt, nun könnte die Aufregung um die W-Lan-Datensammler in den Street-View-Wagen doch allmählich vorbei
sein. "Wir kooperieren mit den Aufsichtsbehörden, damit wir die Sache hinter uns lassen können", sagt ein Google-Sprecher. Das sehen einige europäische Datenschützer anders. Bei
ihnen wirft ein Bericht der US-Aufsichtsbehörde Federal Communications Commission (FCC) neue Fragen auf. "Dies verändert den zugrunde liegenden Sachverhalt noch einmal", sagt
Hamburgs Datenschutzbeauftragter Johannes Caspar. Google habe von einem Fehler gesprochen. "Nun erfahren wir, dass andere Leute in der Firma Bescheid wussten". Es geht darum, dass
Googles Street-View-Kameraautos beim Vorbeifahren auch Inhalte des Datenverkehrs aus unverschlüsselten W-Lan-Netzen aufgezeichnet haben. Dem von Google veröffentlichten FCC-Bericht zufolge
war diese Erfassung von Kommunikationsinhalten kein Versehen. Ein Google-Entwickler soll absichtlich entsprechende Funktionen eingebaut, mindestens zwei weitere Google-Mitarbeiter sollen
davon gewusst haben. Obendrein hatte der Programmierer das Street-View-Team per E-Mail über sein Vorhaben informiert. Ein Google-Sprecher betont nun: "Es gab nie einen Firmenplan,
Kommunikatonsinhalte zu sammeln." Das ist höchstwahrscheinlich richtig. Allerdings war die Erfassung von Inhalten auch kein bloßes Versehen, sondern ein Vorhaben, von dem mehrere
Google-Mitarbeiter wussten. Entsprechend verärgert reagieren europäische Datenschutzbeauftragte: Der niederländische Datenschützer Jacob Kohnstamm, Vorsitzender der
Artikel-29-Datenschutzgruppe der EU, sagte der "New York Times ", viele Datenschützer in Europa fühlten sich von Google belogen. Es sei eine "verdammte Schande". Und er
rief seine Kollegen auf, zusammen gegen das Unternehmen vorzugehen. Am Rande einer Konferenz in Luxemburg, die bis Freitag läuft, wollen europäische Datenschützer über das Thema reden.
EUROPAS DATENSCHÜTZER KÖNNEN WENIG TUN Das Problem ist: Es gibt nicht viel, was sie tun können. In den meisten Ländern sind die Ermittlungen gegen Google bereits eingestellt, eine
Neueröffnung ist unwahrscheinlich: * Erst Anfang April hatte die NIEDERLÄNDISCHE DATENSCHUTZBEHÖRDE, deren Chef Kohnstamm ist, Google schriftlich bescheinigt, alle Auflagen der Behörde
erfüllt zu haben. Unter anderem hat sich das Unternehmen verpflichtet, sämtliche gesammelte W-Lan-Daten aus den Niederlanden und weltweit unwiederbringlich zu löschen. * In FRANKREICH hat
Google eine Geldbuße von 100.000 Euro gezahlt. In den USA wurden 25.000 Dollar fällig, weil das Unternehmen die FCC bei den Ermittlungen behindert hatte. Weitere Untersuchungen der Federal
Trade Commission und des US-Justizministeriums wurden eingestellt. Damit ist der Fall in beiden Ländern erstmal abgeschlossen. * In GROSSBRITANNIEN wurden Google nach dem Street-View-Skandal
neue Datenschutz-Auflagen gemacht. Der Abschlussbericht, ob sie umgesetzt wurden, wird im Juni erwartet. Man werde den FCC-Bericht prüfen und überlegen, ob weitere Maßnahmen nötig seien,
sagte ein Sprecher des Information Commissioner's Office (ICO). IN DEUTSCHLAND ERMITTELT DIE STAATSANWALTSCHAFT Einzig in Deutschland könnte der FCC-Bericht Auswirkungen haben, denn
hierzulande laufen noch zwei Verfahren: Die strafrechtlichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Hamburg und die Prüfung des Hamburgischen Datenschützers. Googles W-Lan-Mitschnitte könnten
juristisch als ein Verstoß gegen Paragraf 202b des Strafgesetzbuchs bewertet werden - der verbietet das Abfangen privater Daten mit technischen Mitteln. Der Hinweis aus dem FCC-Bericht, dass
die Software bewusst zum Zweck der Aufzeichnung von Kommunikationsinhalten entwickelt und eingesetzt wurde, macht es wahrscheinlicher, dass Anklage erhoben wird. Die Staatsanwaltschaft
äußert sich nicht zu Details des Verfahrens. "Es läuft", bestätigt Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers. Man sei mit Googles Rechtsvertretern in Kontakt, es gehe auch um die Identität
des Entwicklers. Ein Name ist allerdings inzwischen bekannt: Die "New York Times " nennt den Namen des mutmaßlichen Entwicklers. Es handelt sich bei dem Mann um einen
Programmierer, der vor Jahren den W-Lan-Scanner Netstumbler schuf. Auf der Projektseite schreibt der Mann im Abschnitt zu rechtlichen Fragen: > "An den meisten Orten ist es illegal,
ein Netzwerk ohne die > Zustimmung seines Besitzers zu nutzen. Die Definition von 'Nutzung' > ist nicht völlig klar, aber dazu gehört definitiv die Nutzung der >
Internetverbindung, und das Sammeln von Informationen im Netzwerk, > es könnte auch den Abruf der IP-Adresse beinhalten." In Deutschland hängt nun alles von der Frage ab, ob die
Staatsanwaltschaft Hamburg Anklage erhebt. Datenschützer Caspar wartet vorerst ab, wohin das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft führt. "Das Ausspähen von Daten ist eine
Straftat, deren Ahndung, wie andere hier in Betracht kommende Straftaten, nicht in unseren Zuständigkeitsbereich fällt", sagt er. Wenn die Staatsanwaltschaft das Verfahren einstellt,
wird der Datenschutzbeauftragte über die Verhängung eines Bußgelds gegen Google entscheiden - auf "Grundlage der neuen Erkenntnisse", wie Caspar es ausdrückt. EU-KOMMISSION PLANT
SCHWERE BUSSEN FÜR WEB-GIGANTEN Wenn seine Behörde ein Bußgeld verhängt, kann das im für Google schlimmsten Fall maximal 300.000 Euro betragen - wenn der Verstoß vorsätzlich begangen wurde,
bei einem fahrlässigen Verstoß sind maximal 150.000 Euro Bußgeld vorgesehen. Zwar ist es Datenschutzbehörden theoretisch möglich, Gewinne aus der Tat abzuschöpfen. Aber in solchen Fällen
muss nachweisbar sein, dass Gewinne durch die Verletzung des Datenschutzes entstanden sind und wie hoch sie ausfielen. Diese Sanktion ist daher kaum durchzusetzen. Laut Caspar kommt die
Abschöpfung beim Google-Fall "nicht in Betracht". Maximal 300.000 Euro Bußgeld - das ist für ein Unternehmen mit einem Quartalsgewinn von zuletzt umgerechnet gut zwei Milliarden
Euro wenig. Datenschützer Caspar sieht das ähnlich. Er argumentiert, dass Unternehmen auch den mit einem Bußgeld verbundenen Image-Verlust fürchten. Und Caspar hofft auf eine neue
EU-Datenschutzverordnung. EU-Kommissarin Neelie Kroes will durchsetzen, dass Aufsichtsbehörden in Zukunft je nach Schwere eines Datenschutz-Verstoßes bis zu zwei Prozent des Firmenumsatzes
als Bußgeld verhängen können. Caspar wünscht sich solche Sanktionsmöglichkeiten: "Ein solches Verfahren könnte bei Unternehmen mit Milliarden-Umsätzen mehr Beachtung finden als die
bisherigen Regelungen und zusätzlich eine abschreckende Wirkung entfalten."