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------------------------- * * * X.com * Facebook * E-Mail * * * X.com * Facebook * E-Mail * Messenger * WhatsApp * In der Urteilsbegründung lässt der Vorsitzende Richter erkennen, dass
seinem 5. Zivilsenat bewusst sei, welch schwerwiegende Folgen das Urteil für eine Familie habe. Doch die Rechte des Eigentümers wögen vor dem Gesetz schwerer, stellt Richter Christian
Odenbreit vom Brandenburger Oberlandesgericht am Donnerstag klar. Daher muss die Familie nun ohne eigenes Verschulden ihr Eigenheim und das Grundstück innerhalb eines Jahres räumen und das
Haus auf eigene Kosten abreißen lassen – weil das Amtsgericht Luckenwalde bei der Zwangsversteigerung des Grundstücks in Rangsdorf einen schweren Fehler gemacht hat. BEI ZWANGSVERSTEIGERUNG
ERSTANDEN Die Familie hatte das etwa 1000 Quadratmeter große Grundstück 2010 bei der Zwangsversteigerung im Amtsgericht Luckenwalde regulär erworben. Das Bauland wurde versteigert, weil der
Erbe des Grundstücks Schulden bei der Stadt Freiburg hatte und angeblich nicht erreichbar war. Nachdem die Familie einen hohen Kredit aufgenommen, dort ihr Haus gebaut hatte und 2012 mit
zwei kleinen Kindern eingezogen war, meldete sich der Erbe ein Jahr später und forderte das Grundstück vor Gericht zurück. Das Landgericht Potsdam entschied daraufhin im Jahr 2014, dass das
Amtsgericht versäumt habe, nach dem Erben in ausreichendem Maße zu suchen. Daher sei die Zwangsversteigerung nicht rechtens und der Erbe weiterhin Eigentümer des Grundstücks seiner
verstorbenen Tante. Dies wurde nun vom OLG bestätigt. FAMILIE MUSS ENTSCHÄDIGUNG FÜR NUTZUNG DES GRUNDSTÜCKS ZAHLEN Dem Urteil zufolge muss die Familie außerdem dem Eigentümer, einem in der
Schweiz lebenden US-Bürger, für die Nutzung des Grundstücks eine Entschädigung in Höhe von gut 6000 Euro zahlen. Und dann ist da noch die Grundschuld in Höhe von 280.000 Euro plus Zinsen für
die Baukosten, die die Familie schnell tilgen muss. Denn: »Im Ergebnis hat die Familie das Grundstück so zu übergeben, wie es vor dem Zuschlag bei der Versteigerung war«, sagt Odenbreit.
Eine Revision ist nicht zugelassen. Die Familie hofft nun, dass das Land wegen des Behördenfehlers den Schaden ersetzt. »Wir warten auf ein Gesprächsangebot des Landes«, sagte Vater Philipp
Walter, der wie seine Frau nicht zu der Urteilsverkündung erschienen war, am Donnerstag auf Anfrage. Weiter wollte er sich nicht äußern. Das Justizministerium reagierte prompt: Es sei eine
Arbeitsgruppe eingesetzt worden, die das Urteil umfassend analysieren werde, teilte das Ministerium nach dem Urteil mit. Ziel sei, Amtshaftungsansprüche wegen des Behördenfehlers
außergerichtlich zu klären. Das Land stehe in der Verantwortung, die durch den Fehler bei Gericht verursachten materiellen Schäden zu ersetzen, sagte Justizministerin Susanne Hoffmann. Dabei
gehe es um einen möglichen finanziellen Ausgleich, aber auch um weitere Optionen. »Ich bin zuversichtlich, dass wir gemeinsam mit der Familie eine sachgerechte Lösung finden werden, durch
die weiteres Leid vermieden wird«, sagte Hoffmann. OLG VERORDNET ABRISS DES HAUSES Das Landgericht hatte in einem ersten Verfahren die vom Eigentümer geforderte Räumung des Grundstücks und
den Abriss des Hauses abgelehnt, weil sich die Familie auf Treu und Glauben berufen könne. Doch auch hier wog für den Zivilsenat des OLG das Eigentumsrecht schwerer. Bliebe die Familie dort
wohnen, könne der Eigentümer das Grundstück nicht nutzen und es bliebe »wirtschaftlich eine leere Hülle«, sagte Odenbreit. Auch das Haus sei dem Eigentümer nicht zuzumuten, sagte der
Vorsitzende Richter. Da der Erbe es nicht wolle, müsse er es auch nicht bezahlen oder für den Abriss aufkommen. Und mit der Räumungsfrist von einem Jahr sei das Gericht der Familie
entgegengekommen, so Odenbreit. Die gravierenden finanziellen Folgen könnten durch das Land Brandenburg abgemildert werden. »DAS IST NUR SCHWER ERTRÄGLICH« Gerichtssprecherin Vera
Krüger-Velthusen erklärte nach dem Urteil, nach solch einem Behördenfehler hätten die Betroffenen grundsätzlich Anspruch auf staatliche Entschädigung. Der Fraktionschef von BVB/Freie Wähler
im Landtag, Péter Vida, erklärte, das Urteil rüttele am Gerechtigkeitsempfinden vieler Menschen. »Eine Familie, die sich vollkommen korrekt verhalten hat, muss nun ihren Lebensmittelpunkt
räumen. Das ist nur schwer erträglich«, sagte Vida. Das Ministerium müsse den Schaden nun schnell beheben. »Der schnellste und menschlichste Weg: Das Grundstück dem Eigentümer abkaufen und
der Familie dann kostenlos übereignen«, so Vida. »Auf jeden Fall hat das Land der Familie gegenüber unverzüglich rechtsverbindlich zu erklären, dass es für alle sich aus dem Fehler ergebende
Schulden und Schäden haften wird.« lmd/dpa